Offene Ohren für die Idee einer zweiten Kanti

2. Oktober 2014
Zürichsee-Zeitung

Offene Ohren für die Idee einer zweiten Kanti

BILDUNG Eine Kanti sowohl in Wattwil als auch im Linthgebiet – diese Option in der Frage um den Kanti-Standort kommt am Obersee gut an. Wie der Kanton allerdings mehr Schüler fürs Gymi motivieren könnte und ob das überhaupt nötig ist, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Der Traum einer Kanti Linth ist vielleicht doch noch nicht geplatzt. Der Vorschlag der BDP St. Gallen zumindest bestärkt die Kantonsräte im Linthgebiet in ihrem Engagement für einen Kantineubau im Linthgebiet. Erfreut ist man insbesondere bei der IG Pro Bildungsstandort Linthgebiet. Die Interessengemeinschaft setzt sich seit 2010 dafür ein, die Situation für die Kantischüler im Linthgebiet zu verbessern und die Standortfrage in einem transparenten Prozess zu klären. Es sei erfreulich, dass die BDP Interesse am Thema zeige und einen konkreten Vorschlag mache, sagt Yvonne Suter, CVP-Kantonsrätin aus Rapperswil-Jona und Präsidentin der IG Pro Bildungsstandort Linthgebiet. «Es zeigt, dass die Diskussion nun offenbar in St. Gallen angekommen und das Ganze nicht nur ein regionales Anliegen ist», freut sie sich. Die Idee mit den zwei Kantistandorten ist nicht ganz neu: Die IG selbst hat die Option schon diskutiert und die Regierung in einem überparteilichen Vorstoss gebeten, diese Möglichkeit bei der Standortanalyse zu berücksichtigen. Die Regierung habe diese Option jedoch «vorschnell vom Tisch gefegt», erinnert sich Suter. Vor diesem Hintergrund findet sie es berechtigt, dass die BDP den Vorschlag nun noch einmal ins Feld führt. Entsprechend kann sie sich gut vorstellen, mit den Verantwortlichen der BDP in den kommenden Wochen das Gespräch zu suchen. Die BDP ihrerseits sucht nämlich nach Verbündeten: Im Alleingang bringe man ein solches Begehren kaum aufs politische Parkett, sagt BDP-Präsident Richard Ammann. Welche Art von Vorstössen jedoch konkret geplant sind und in welchem Zeitrahmen die BDP im Kantonsrat aktiv werden will, sei im Moment noch offen.

Wie sinnvoll sind zwei Schulstandorte?

Es gibt aber auch kritische Stimmen aus dem Linthgebiet zum Vorschlag der BDP: Es sei fragwürdig, wie sinnvoll die Idee mit den zwei Schulstandorten sei, sagt der Uzner SP-Kantonsrat Josef Kofler. Für ihn klinge es eher nach einem «faulen Kompromiss» als nach einer echten Alternative. Zwei Schulstandorte könnten beispielsweise viele schulinterne Abläufe komplizieren, führt er auf. Zudem könne es kein Argument sein, die Anforderungen fürs Gymnasium zu senken, damit es an jedem Standort sicher genügend Schüler habe. Genau das ist jedoch die Überlegung der BDP. Mit einer Maturitätsquote von aktuell 13 Prozent liege der Kanton St. Gallen im schweizweiten Vergleich «hoffnungslos im Hintertreffen», wie Ammann sagt.

Einfachere Aufnahmeprüfungen

Wie die BDP gestern bekannt gab, plant sie nun eine Bildungsoffensive: Mit einfacheren Aufnahmeprüfungen soll das Gymnasium für Schüler attraktiver werden. Die Reaktionen dazu sind eher kritisch. Die tiefe Maturitätsquote sei nicht per se schlecht, sagt Yvonne Suter. Sie zeuge etwa von einem gut funktionierenden Lehrstellenmarkt. Das duale Bildungssystem der Schweiz bewähre sich, die verschiedenen Ausbildungsmöglichkeiten dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. Trotzdem sei gerade die extrem tiefe Maturitätsquote im Linthgebiet ein Hinweis auf die unbefriedigende Kantisituation hier. Suter hält es für gut möglich, dass die umständliche Anreise zur Kanti Wattwil gewisse Schüler aus dem Linthgebiet davon abhält, sich fürs Gymnasium zu entscheiden. Auch Peter Göldi, CVP-Kantonsrat, Gemeindepräsident von Gommiswald und Vizepräsident der Region Zürichsee-Linth, findet die tiefe St. Galler Maturitätsquote bemerkenswert – «sie lässt aufhorchen». Man dürfe jedoch keine voreiligen Schlüsse ziehen. Vielmehr gelte es, genau zu analysieren, warum dem so sei. Kritisch äussert sich zu diesem Punkt auch Ivan Louis, ehemaliger Schüler der Kanti Wattwil und Mitglied des Fördervereins Bildungsstandort Toggenburg. Es dünke ihn seltsam, die Maturitätsquote «künstlich zu erhöhen, nur um die Schulhäuser an beiden Standorten zu füllen». Senke man das Niveau, sei das schlecht für die Berufschancen der Schüler und überhaupt für die Qualität der Kantonsschule. Mit dem Vorschlag giesse die BDP unnötig Öl ins Feuer. Statt den «Rickengraben-Konflikt » zu lösen, werde dieser noch verstärkt.

Hiesige Politiker sollen entscheiden

Wo genau im Linthgebiet die BDP sich eine «Kanti Linth» vorstellen könnte, darüber sollen die Politiker vor Ort befinden, sagt Richard Ammann. «Sie kennen die Situation sicher besser als ich», sagt der BDP-Präsident aus Abtwil. Über Details mag er nicht sprechen – dafür sei es zu früh. Die BDP wollte nun erst einmal ihr Vorhaben bekunden. Offen ist, was die St. Galler Regierung zum Vorschlag meint. Vom Bildungsdepartement war gestern niemand für eine Stellungnahme erreichbar. Auch wenn der Vorschlag der BDP hierzulande auf offene Ohren stösst – die Idee müsse gründlich geprüft werden, betonen die hiesigen Kantonsräte. «Die Argumente dafür und dagegen müssen dargelegt und gegeneinander abgewogen werden», sagt Peter Göldi. «Vielleicht ist die Option mit den zwei Standorten tatsächlich die beste, vielleicht gibt es aber Varianten, an die wir noch nicht gedacht haben.»

Ramona Kriese