Staatsjuristen und ihre Nebenjobs

17. Mai 2017
St. Galler Tagblatt

Staatsjuristen und ihre Nebenjobs

TRANSPARENZ ⋅ Sind die Staatsanwälte Mitglied in einem Verein? Haben die Richterinnen eine Nebenbeschäftigung? Ein Gesetzesentwurf verlangt die Offenlegung der Interessenbindungen der St.Galler Justizangestellten.

Sina Bühler

Der Kanton Zürich hat es vorgemacht: Seit Mitte 2015 müssen Zürcher Richter/-innen, Staatsanwälte und Jugendanwälte/-innen ihre Interessenbindungen offenlegen. Will heissen: Sie müssen bekanntgeben, in welchen Verwaltungs- und Aufsichtsräten sie sitzen, ob und welche beruflichen Nebenbeschäftigungen sie haben, ob sie in oder für Interessengruppen tätig sind und ob sie Mitglied in einer Partei sind. Es ist eine noch eher seltene Regelung, bisher gibt es sie nur in den Kantonen Luzern, beiden Basel und in Zürich.

Auf das Zürcher Gesetz bezogen sich Ivan Louis (SVP), Yvonne Suter (CVP) und der inzwischen zurückgetretene Werner Ritter (CVP), als sie im St.Galler Kantonsrat eine ähnlich lautende Motion einreichten, die im April 2016 von einer Mehrheit des Parlaments überwiesen wurde. Nun ist der entsprechende Gesetzesentwurf der Regierung da: «Sinn und Zweck der neuen Regelung ist es, das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Justiz zu fördern, indem Interessenbindungen transparent angegeben und von jedermann unbürokratisch einsehbar sind», schreibt der Regierungsrat.

Wie die Kantonsräte, so die Staatsjuristen

Zum Modell nahm sich die Regierung die Regelung der Interessenbindungen für die Mitglieder des Kantonsrates. Dabei wird eine Ausnahme gemacht: Der Entwurf verzichtet auf eine Offenlegungspflicht der Parteizugehörigkeit. Bei den Richterinnen und Richtern sei diese ohnehin klar – ihre Wahl ist politisch, sie müssen einer Partei angehören. Bei den Staats- und Jugendanwälten sowie den Sachbearbeitenden sei die Offenlegung hingegen aus Datenschutzgründen problematisch. Von der Bekanntgabe ihrer Interessenbindungen sollen Gerichtsschreiberinnen und -schreiber sowie das Sekretariatspersonal ausgeschlossen sein: Diese Personen hätten ohnehin keine Entscheidungskompetenz. Die Regierung will auch die Mitarbeitenden der verwaltungsinternen Verwaltungsrechtspflege von der Auskunftspflicht befreien. Die grosse Anzahl Mitarbeitender in den Ämtern und den Rechtsdiensten der Departemente lasse ohnehin keine vernünftigen Aussagen über allfällige Interessenskonflikte zu.

Hauptproblem sind persönliche Beziehungen

Der Erste Staatsanwalt des Kantons, Thomas Hansjakob, sieht dem geplanten Gesetzesnachtrag gelassen entgegen. Seine Mandate und Nebenbeschäftigungen publiziert er schon lange auf seiner persönlichen Homepage. Trotzdem bezweifelt er, dass diese Angaben für die Öffentlichkeit wirklich interessant seien. «Was nützt die Information, dass ich im Vorstand der Schweizerischen Kriminalistischen Gesellschaft bin?», fragt er – es gehört ganz einfach zu seinem Beruf. Die Staatsanwaltschaft führt bereits eine Liste der Interessenbindungen und Nebenbeschäftigungen ihrer Mitarbeitenden – um Ausstandsgründe erkennen zu können. Beispielsweise, damit einem Mitglied in einem Tierschutzverein kein Fall von Tierquälerei zugeteilt wird.

Die wirklich problematischen Fälle seien aus einer solchen Liste aber nicht erkennbar. Es geht dabei vor allem um persönliche Beziehungen: «Beispielsweise, wenn ein Beschuldigter mit mir in der Primarschule war oder wenn seine Schwester eine Freundin meiner Frau ist», erklärt er. Die Mitglieder der Staatsanwaltschaft seien aber darin geübt, solche Fälle sofort zu melden. Diese Ausstandsregeln werden mit dem neuen Gesetz auch nicht verändert.

Laut Hansjakob haben nur die wenigsten Staatsanwälte überhaupt Interessenbindungen und wenn, dann sei es meist eine Mitgliedschaft in juristischen Verbänden. Es gebe aber andere Staatsanwältinnen und -anwälte, die skeptisch seien. «Sie befürchten, dass die öffentlichen Informationen von Beschuldigten missbraucht werden können und beispielsweise Rückschlüsse auf ihre Wohnadresse möglich sind.» Deswegen werden auch künftig weder Fotos noch Privatadressen der Staatsanwälte und Richter/ -innen publiziert. Bis das Gesetz in Kraft treten kann, dauert es noch. Laut Auskunft der Staatskanzlei wird an der kommenden Junisession die vorberatende Kommission bestimmt, so dass die Vorlage im September beraten werden kann.